8. Juni 2020

Wohnungsmarkt und Corona

Ausgangssituation vor der Corona-Krise

In den letzten Quartalen stiegen die Kaufpreise immer weiter an, während die Mieten in vielen Kernstädten weniger stark als zuvor stiegen oder sogar stagnierten. Das führte in den letzten Monaten zu einer immer größer werdenden Spreizung zwischen Miet- und Kaufpreisen. Der Arbeitsmarkt zeigte seit dem vierten Quartal 2019 erste Ermüdungserscheinungen mit stagnierenden, zum Teil leicht steigenden, Arbeitslosenzahlen. Vielfach wurde die Frage diskutiert, ob auch im aktuellen Wohnungsmarktzyklus der Umschwung ansteht. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie und einem massiven Einbruch der Wirtschaft hat sich die Perspektive jedoch völlig geändert. Im Vordergrund steht mit Blick auf den Wohnungsmarkt nun die Frage, ob und in welchem Ausmaß Covid-19 seine Spuren auch in den aktuellen Wohnungsmarktdaten hinterlässt. Hierzu wollen wir an dieser Stelle kurz einen Blick auf ausgewählte Indikatoren werfen und eine erste grobe Einschätzung vornehmen.

Wirtschaftliche Entwicklung

In den aktuellen Wirtschaftszahlen ab März 2020 zeigen sich die Auswirkungen der Corona-Krise deutlich. Der Produktionsindex für den März 2020 zeigt gegenüber März 2019 einen Rückgang von -6,7%, der Volumenindex zu Auftragseingängen im produzierenden Gewerbe sogar -11,9%. Gleichzeitig lagen die Arbeitslosenzahlen im März 2020 1,5% höher als im Vorjahresmonat. Im April ging der Produktionsindex im Vergleich zum Vorjahr um -25,3% zurück, die Auftragseingänge um -36,7%. Die Arbeitslosenzahlen lagen 18,6% über dem Vorjahresmonat. Damit gab es rund 415.000 Arbeitslose mehr als im Vorjahr und 308.000 Arbeitslose mehr als einen Monat vorher. Die letzten Daten für den Mai zeigen einen weiteren Anstieg um etwa 169.000 Arbeitslose gegenüber dem April. Damit liegt die Zahl der Arbeitslosen im Mai 25,8% über dem Vorjahresmonat. Auch andere Wirtschaftszahlen liegen deutlich im Minus. Der Einzelhandelsumsatz war beispielsweise im April 2020 6,5% niedriger als im April 2019.1 Die kurzfristigen, wirtschaftlichen Folgen sind bereits deutlich zu sehen.

Produktionsindex und Volumenindex für Mai 2020 lagen Anfang Juni noch nicht vor
Quelle: eigene Darstellung auf Basis Statistisches Bundesamt (Destatis) , 2020 (Produktionsindex, Volumenindex) und
Statistik der Bundesagentur für Arbeit  (Arbeitslosenzahlen)

Entwicklung der Angebotsdaten

Verschiedene Analysen von Angebotsdaten zeigen, dass es deutschlandweit zu einem Rückgang der inserierten Wohnobjekte seit der Kontaktsperre am 16. März 2020 kam.2 Wir wollten es etwas genauer wissen und haben daher die inserierten Miet- und Eigentumswohnungen in den deutschen kreisfreien Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern unter die Lupe genommen (Die Auswertungen zu verschiedenen Städten können unter go.empirica-regio.de  abgerufen werden). Dafür haben wir die Angebote und die Preise nach Inseratsbeginn ausgewertet. Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft die Daten für Eigentumswohnungen in Frankfurt am Main. Die Ergebnisse aller Städte zeigen: Es lässt sich ein spürbarer Rückgang der Anzahl inserierter Miet- und Eigentumswohnungen seit dem 16. März beobachten. Die Preisentwicklung ist weniger deutlich, weder bei den Mietpreisen noch bei den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen lässt sich eine markante Veränderung seit Mitte März feststellen. Die teilweise zu beobachtenden Preisrückgänge liegen innerhalb der üblichen Schwankungen und können nicht alleine auf Covid-19 zurückgeführt werden. Auch bei den hier dargestellten Daten für Frankfurt am Main ist der Rückgang der Angebote zu sehen. Die Kaufpreise stiegen im März sogar zunächst an und lagen dann wieder auf dem mittleren Niveau der letzten Monate. Unsere Kollegen von empirica stellten entsprechend fest, dass “der Immobilienmarkt kurzfristig schlicht eingefroren”3 sei.

empirica regio (Basis: VALUE Marktdaten )

Die Stichworte “Miete”, “Eigentumswohnung” und “Stundung” aus den Google Trends für Deutschland spiegeln den Verlauf der Corona-Pandemie viel stärker wieder als die Angebotsdaten. Anfang März gingen die Suchanfragen für “Miete” und “Eigentumswohnung” zunächst zurück, stiegen dann für Miete in der dritten Märzwoche deutlich an. Auch der Trend für “Stundung” ging parallel deutlich nach oben. In dieser Woche begann die Diskussion um den Kündigungsschutz und Zahlungsaufschub für Mieter. Am 23.3. beschloss das Bundeskabinett dann den entsprechenden Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie . Parallel zu dieser Entwicklung scheint das Interesse an Eigentumswohnungen aber deutlich gesunken zu sein.

Interessant ist aber vor allem, dass die Trends zwar Mitte März deutlich von den üblichen Schwankungen (z.B. Weihnachten/Silvester) nach oben bzw. unten abwichen, sich aber bereits Mitte April wieder auf das Vor-Corona-Niveau eingependelt haben. In diesem Zeitraum sind auch Hypothekenverträge für Privatkunden wieder verstärkt vergeben worden, während die Zahl der neuen Kreditverträge auf niedrigem Niveau stagniert.4

Interesse in Deutschland laut Google Trends (Index 0-100, 100 = maximale Beliebtheit im Zeitraum)
Quelle: eigene Auswertung auf Basis Google Trends

Von einigen Wohnungsmarktexperten wird schon die Vermutung geäußert, dass die Wohnung zukünftig sogar noch als Lebensmittelpunkt an Bedeutung gewinnt, aber auch als Arbeitsplatz (Homeoffice). Ausstattungsmerkmale wie flexibel nutzbare Wohnräume, ein Zugang zum Garten oder ein Balkon gewinnen dann an Bedeutung. Die Google Trends zeigen auch hier, dass die Stichworte “Garten” und “Balkon” in diesem Frühjahr viel stärker gefragt waren als im letzten Jahr und das gesteigerte Interesse auch noch anhält.5

Fazit

Die Daten zeigen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Wirtschaft bereits deutlich. Der Wohnungsmarkt reagiert dagegen träge und zeigt bisher gemessen an den Angebotsdaten nur einen Rückgang der inserierten Wohnungen, aber keinen Einbruch der Preise. Ob und in welchem Ausmaß Covid-19 noch einen Fußabdruck im Wohnungsmarkt hinterlässt, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen und wesentlich von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängen. Wenn neue Daten dazu vorliegen, werden wir sie an dieser Stelle diskutieren.


  1. Statistisches Bundesamt (Destatis) (2020), Pressemitteilung Nr. 192 vom 29. Mai 2020 . ↩︎

  2. VALUE AG (2020), VALUE Data Insights 1-2020 . ↩︎

  3. Dr. Reiner Braun, Prof. Dr. Harald Simons (2020), Corona und die Immobilienpreise . empirica-Paper Nr. 255. ↩︎

  4. Aktuelle Daten zu privaten Hypothekenverträgen und Kreditverträgen für Privatkunden: Statistisches Bundesamt (Destatis) (2020), Kreditvergaben und Auskünfte für Online-Transaktionen . ↩︎

  5. Google Trends zu den Begriffen “Miete”, “Eigentumswohnung”, “Balkon”, “Garten” . ↩︎